Biogas in der Region Limbazi

In Lettland hat die Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien einen hohen Stellenwert, verfügt das Land doch über keine fossilen Ressourcen außer Torf. Erdöl, Erdgas und Kohle werden aus Russland importiert, Strom wird aus Estland zugekauft. Die wichtigsten eigenen Stromquellen sind die Wasserkraft der Daugava und die Import-Erdgas verbrennenden Kraftwerke in Riga. Heizung basiert im Wesentlichen auf Holz. Die Fernwärme der Distrikt-Heizung z. B. des Bezirkes  Limbaži wird zu 95 Prozent aus Holz erzeugt (60.000 Tonnen Holz pro Jahr gegenüber 3.000 Kohle und Öl) (1). Der "Energy Master Plan for Limbazi Region" (1) misst Biomasse und Windenergie ein sehr hohes Potential bei; andere Energiequellen, wie Sonne, Wasser oder Geothermie, spielen eine untergeordnete Rolle.
 
Biomasse wird in einer Biogasanlage vergoren. Dabei entsteht Biogas, das aus Methan, Kohlenstoffdioxyd und Wasserdampf besteht. Als Biomasse finden u. a. Verwendung: Mais- und Grassilage, Futter- und Zuckerrüben, Mist und Gülle. Speisereste oder Abfälle, die bei der industriellen Herstellung oder Zubereitung von Speisen entstehen, sind ebenfalls brauchbar. Mit dem Biogas, das je nach Biomasse zwischen 50 und 70 Prozent brennbares Methan enthält, wird meistens in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) ein Motor betrieben, der einen Stromgenerator antreibt. Der so gewonnene Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist und oft subventioniert. Die Abwärme des Motors erhitzt, über einen Wärmetauscher, Wasser, das vor Ort z. B. für Heizzwecke oder als Warmwasser genutzt wird. Die gleichzeitige Strom- und Wärmeerzeugung wird Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) genannt. Die Primär-Energie wird hierbei zu 80 bis 90 Prozent genutzt. Die separaten Strom- oder Wärmeerzeuger liegen weit darunter.

Eine Biogasanlage benötigt einen Fermenter, den Behälter, in dem die Biomasse fermentiert (gärt). Er ist so bemessen, dass er nicht nur die Biomasse, sondern auch das bei der Gärung entstehende Biogas aufnehmen kann. Regelmäßig wird neue Biomasse hinzugefügt und Biogas, sowie die Gärreste entnommen. Die Gärreste werden unter freiem Himmel zwischengelagert und, wenn es an der Zeit ist, als Dünger vorzugsweise auf den Flächen ausgebracht, auf denen Biomasse angebaut wird. Das Biogas wird nach einer Reinigung dem BHKW zugeführt. Die Anlage wird elektronisch gesteuert und meldet Fehler automatisch an den Hersteller oder die Service-Firma.

Ich habe mir im Sommer 2011 mit meinem Vater die Biogasanlage auf dem Hof Jaundzelves von Maris Treimanis, Katvari Pagast, Limbazi Novads, angesehen. Die Größe der Anlage ist beeindruckend. Der Fermenter hat ein Volumen von 3.500 cbm, der Behälter für die Gärreste fasst 6.000 cbm (zur Veranschaulichung: ein Schwimmbad, 20 m x 50 m,  wäre 6 m tief). Der Vorlagebehälter, aus dem der Fermenter beschickt wird, hat 88 cbm und ist beheizt, damit im Fermenter die Gärung nicht unterbrochen wird bei der Zugabe von neuer, kalter Biomasse. Zwei BHKW mit je einem 250 kW Gas-Ottomotor und dem entsprechenden Generator sind samt der Steuerung in Containern untergebracht. So groß die Anlage ist, so groß ist ihr Verbrauch: 3.500 Tonnen Rindergülle, 1.900 t Kuhmist, 500 t Ganzpflanzensilage, 300 t Tonnen Grassilage und 7.000 t Maissilage werden pro Jahr vergoren. Jedes BHKW soll 8.000 Stunden pro Jahr, also rund 11 Monate lang, 260 kW Strom und 373 kW Wärme erzeugen. (2) (3)
Herr Treimanis, keine 40 Jahre alt, dem Aussehen nach eher in Frankfurts Bankenviertel passend, als auf einen Bauernhof, nahm sich eine Stunde Zeit für uns und erklärte jedes Detail. Als Betriebswirt sah er bei Übernahme des Hofes seiner Eltern in der Milchwirtschaft keine Zukunft. Auf der Suche nach einem zusätzlichen Verdienst  kam er auf die Idee, eine Biogasanlage zu errichten. Zum Zeitpunkt unseres Besuches wurde gerade die Übernahme des Stromes in das öffentliche 20 kV Netz vorbereitet. Die Abwärme der Motoren war noch nicht verplant - Treimanis hatte aber schon eine Vision: er stellte sich vor, noch zu errichtende Treibhäuser damit zu heizen. Die Biogasanlage wurde am 03.09.2011 offiziell eröffnet. (4)

Obwohl Lettland weder Strom, noch Gas oder Kohle in genügender Menge selbst erzeugt, ist es schwer, Biogasanlagen zu planen, zu bauen und zu betreiben. Das hängt von vielen Faktoren ab. Einer davon ist die Monopolstellung der Latvenergo, die dem kleinen Stromeinleiter das Leben schwer macht. Die Liberalisierung des Strommarktes in Lettland steht leider nur auf dem Papier. Einer anderer ist die fehlende Mülltrennung.

Was nicht ist, kann noch werden!



(1) EKODOMA, 10.04.2008, Brüssel, http://www.erec.org/fileadmin/erec_docs/Projcet_Documents/Energy4Cohesion/3_Energy_Plan_Limbazi.pdf

(2) WELTEC, 30.03.2011
http://www.weltec-biopower.de/News-lesen.286.0.html?&L=0&tx_ttnews(pointer)=2&tx_ttnews(tt_news)=130&tx_ttnews(backPid)=607&cHash=a16c6d104119b6ff1783dccb8785011a

(3) http://www.upbenergy.lv/pages/news_detail.php?l=en&tema=6&subtema=0&id=189

(4) http://www.farming.lv/en/news/economics/Jaundzelves-Farm-to-Open-Biogas-Plant