Lettische Krankenhäuser – viel besser als ihr Ruf!
Warum man in lettischen Krankenhäusern sein eigenes Klopapier mitnehmen muss.......
ist ganz einfach zu beantworten: den Kliniken fehlt das Geld.
Es ist aber längst nicht mehr so, daß schmerzende Zähne, wie zu russischen Zeiten, ohne Betäubung gezogen werden. Das ist auch einer der Gründe, warum viele Letten so furchtbar schlechte Zähne haben, die Behandlung musste nicht nur aus eigener Tasche bezahlt werden, sie war auch sehr schmerzhaft. Darüber muss man sich heute keine Sorgen mehr machen, die Ärzte haben sowohl eine sehr gute Ausbildung, als auch eine technisch moderne Ausstattung. An allem anderen muss aber gespart werden. So kann es sein, dass der Zahnarzt in der Kleinstadt zwar ein nagelneues Röntgengerät besitzt, das Wartezimmer aber noch im original-kommunistischem Zustand ist. Da möchte man am liebsten gleich wieder rückwärts rausgehen. Um so größer dann die Überraschung, wenn der Behandlungsraum deutschem Standard schon recht nahe kommt.
Das gleiche gilt für die meisten Krankenhäuser. Das Geld, das zur Verfügung steht, wird zuerst in die wichtigsten Abteilungen wie Diagnostik, Behandlung usw. gesteckt. Patientenzimmer, Aufenthaltsräume und Speisesäle sind oft noch in einem recht traurigen Zustand. Aber nach und nach tut sich auch hier etwas.
Vergleicht man den Komfort einer deutschen mit einer lettischen Klinik, schneiden die Letten natürlich weniger gut ab. Ein Beispiel aus eigener Erfahrung:
In einem Krankenhaus in Riga gibt es zum Frühstück einen Klatsch Haferbrei mit einem Stückchen Butter, dazu labberiges Brot soviel man möchte. Das ganze natürlich serviert in einem Blechnapf, Besteck und Tasse muss man selbst mitbringen. Warum? Ganz einfach, es wurde zuviel geklaut! Mittags dann Kartoffeln mit Hackfleischsoße. Lupe nicht vergessen, sonst kann man das Hackfleisch nicht finden! Zum Abendessen Brot soviel man essen kann, dazu eine Scheibe Wurst oder Käse.
Über Geschmack lässt sich natürlich streiten, insgesamt ist das Essen aber in Ordnung. Zum Glück gibt es in der Regel auf den Stationen einen Kühlschrank, in dem die Patienten ihre mitgebrachten Lebensmittel aufbewahren können, so muss man nicht auf seinen täglichen Joghurt verzichten. Tee oder Saft wird zum Essen gereicht, wer zwischendurch Durst hat trinkt Leitungswasser oder bringt sich selbst etwas mit.
Auch die Zimmer sind recht spartanisch, ein Bett, ein wackeliges Nachtschränkchen und das war es dann auch schon. Meist gibt es in jedem Zimmer auch Toilette und Waschbecken, die Gemeinschaftsdusche ist auf dem Gang. Um elementare Dinge wie Handtücher, Seife und Toilettenpapier muss sich natürlich jeder selbst kümmern. Es ist zu empfehlen, das Klopapier nach jedem Gang wieder im eigenen Nachtschränkchen zu verstauen, sonst ist die Rolle erstaunlich schnell leer.
Es gibt allerdings in einigen Kliniken die Möglichkeit, ein so genanntes „Luxuszimmer“ zu beziehen, dort gibt es dann tatsächlich einen Schrank, ein eigenes Bad, Fernseher und Klopapier! Das ganze natürlich nur gegen Extrabezahlung- und das ist für den Durchschnittsverdiener so gut wie unerschwinglich.
Vielleicht sollte ich erwähnen, daß ich weiß, wovon ich rede. Ich bin Deutsche, lebe seit über 10 Jahren in Lettland und war in den letzten Jahren mehr als 20 mal in diversen Krankenhäusern, Polikliniken und Diagnostik-Zentren.
Insgesamt kann man aber mit dem medizinischen Standard wirklich mehr als zufrieden sein, die Ärzte sprechen fast immer Englisch oder Deutsch und wenn man Fragen hat nehmen sie sich auch genug Zeit.
Eine obligatorische Krankenversicherung gibt es in Lettland nicht. Einige Arbeitgeber versichern ihre Angestellten freiwillig, ansonsten kann man sich privat versichern. Das hat zur Folge, daß ein großer Teil der lettischen Bevölkerung nicht krankenversichert ist, frei nach dem Motto „das lohnt sich nicht, ich bin ja eigentlich nie ernsthaft krank“.
Eine Krankenversicherung bekommt man schon ab ca. 60 Lats im Jahr, hier werden dann Operationen, Krankenhaus-Tagegeld und Untersuchungen von Fachärzten (nur mit Überweisung vom Hausarzt) bezahlt. Wählt man eine teurere Versicherung, bekommt man auch Medikamente, Zahnarztbehandlungen, Massagen usw. bezahlt.
Interessant ist, daß sich der lettische Staat um Schwangere, Kinder und Krebskranke kümmert. Alle Vorsorgeuntersuchen in der Schwangerschaft, Nachsorge; Untersuchung und Behandlung von Kindern bis 18 Jahre und die Behandlung von Krebskranken ist für die Patienten kostenlos. Auch die vorgeschriebenen Impfungen wie z. B. gegen Tuberkulose, Kinderkrankheiten usw. werden vom Staat finanziert.
Immer wieder gibt es aber Menschen, die wegen eines Notfalles in Krankenhaus kommen und die Behandlung dann kaum bezahlen können, ein großes Problem haben hier die Rentner, die oft am Existenzminimum leben. Vor einigen Jahren entdeckte ich im Krankenhaus von Limbaži neben der Kasse einen interessanten Aushang: wer es sich nicht leisten kann, für seine Blinddarm-OP zu bezahlen, kann die Rechnung auch mit Naturalien ausgleichen: in der Krankenhausküche werden Kartoffeln, Möhren und Kohl immer säckeweise gebraucht!
Wenn man sich jetzt mal überlegt, wie hoch die Krankenkassenbeiträge in Deutschland sind und was man dann am Ende doch noch selbst zubezahlen muss, kann man sich in Lettland nicht beklagen.
Tina Runce